Benutzt du Tinder? Ich selbst habe die App noch nie auf meinem Handy installiert, schaue aber Freundinnen neugierig über die Schulter, während sie ihren Traummann aussuchen. Wenn der nächste Kandidat am Display aufpoppt, kaue ich auf meinen Fingernägeln. Wird sie ihn nach links oder rechts wischen? Das ist besser als jede Realityshow auf RTL.
Hättest du dir träumen lassen, dass man über die App auch Angestellte akquirieren kann, ohne dass sie mit dir ins Bett wollen? Ich auch nicht – keine Chance. Aber bei Franzi vom Toranam-Projekt war das anders: Ihr Tinder-Date arbeitet nun für sie.
Autorin: Sarah Stano | Die Passionierte: Franziska Weißörtel
Ich saß in Indien. Auf meiner Farm. Mir war langweilig.
Seit Wochen hatte ich Tinder nicht auf meinem Handy geöffnet. Umzäunt von ein paar freiwilligen Helfern und Kühen wollte ich wissen, wer sich in der Gegend herumtrieb und wie die App hier in Indien funktionierte. Da ich nicht allzu viel von dem nahegelegenen Ort erwartete, erweiterte ich den Suchradius auf die nächste Metropole, Bangalore.
Viele Männer ploppten auf meinem Handy auf, alle wischte ich nach links. Bis auf einen. Avan. Warum er mir auffiel? Er interessierte sich für nachhaltiges Bauen, so stand es zumindest in seinem Profil. Offenbar hatte er mich auch nach rechts gewischt, denn kurz darauf chatteten wir miteinander. Ich erzählte ihm von dem Projekt.
„Das Projekt ist total genial! Kann ich dich am Wochenende besuchen kommen?“
Wir haben hier auf der Farm zwei Schlafsäle, Jungen und Mädchen getrennt. Avan wusste das, bevor er sich für drei Stunden in den Bus setzte und Samstagmorgen auf unserer Farm stand. Das Projekt interessiert ihn also wirklich.
Zu gerne würden wir Ecohuts bauen. Also kleine Gästehäuser, die komplett ökologisch waren. Wir wollten Lehm anstatt Zement benutzen und jedes Haus hätte eine eigene Trockentoilette. Als ich Avan rumführte und ihm davon erzählte, sprudelte er über vor Ideen und versprach uns einen Plan anzufertigen.
Er versprach es nicht nur, sondern er tat es auch.
Genauso wie er ein System für das Dach des großen Hauses plante, damit wir das Regenwasser auffangen und wiederverwenden können.
Meistens arbeitet er von Bangalore aus, doch ab und zu kommt er uns auch besuchen. Für unsere Trockentoiletten brauchten wir Bauschaum, um alles abzudichten. Stundenlang hat er Geschäfte in Bangalore abgeklappert, um ihn uns mitzubringen, denn hier in Madanapalle gibt es sowas Ausgefallenes nicht. In den nächsten Wochen holte er sogar Freunde und Kollegen mit ins Boot, die uns halfen unsere Utopie eines nachhaltigen Farmlebens umzusetzen.
Der junge Mann sieht auf seinen Profilfotos nicht nur gut aus, sondern ist auch eine riesige Hilfe. Schlussendlich hat er sich nicht hochgeschlafen, sondern hochgearbeitet. Wir haben ihn nun als Projektmanager der Farm eingestellt, damit er mich vertritt, wenn ich meine Arbeit in Deutschland aufnehme.
Ich denke, da habe ich einen sehr guten Fang gemacht. Und er vielleicht auch.
Sarah: Wie war die interessanteste Person, die du über Tinder kennen gelernt hast? Da ich es selbst ja nicht verwende, sehe ich nur, mit welchen Leuten sich meine Freundinnen treffen. Tatsächlich sind dabei viele schöne Beziehungen entstanden. Das führt mich direkt zu meiner zweiten Frage: Was hältst du von Online-Dating? Schreib es mir in die Kommentare, ich bin auf deine Erfahrungen gespannt!